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  • Bettina Bauer

Bedürfnisorientierung in Kindertageseinrichtungen - Teil 1

Wie wir in den letzten Wochen ja schon festgestellt haben, sind in der Familie die Bedürfnisse aller Familienmitglieder wichtig. Da Eltern nicht nur Eltern, sondern Individuen sind, haben sie irgendwann wieder das Bedürfnis nach mehr Autonomie. Ob sie dafür in den Beruf zurück gehen oder andere Pläne haben: Es kommt der Zeitpunkt, an dem das Kind tagsüber nicht mehr zu Hause betreut wird. Inzwischen ist das meist ab dem ersten Geburtstag der Fall.


Ich selbst bin mit meinen Kindern bis zum Kindergarten zu Hause. Habe ich manchmal an dieser Entscheidung gezweifelt? Ja, mehr als einmal- aber vor allem wegen den Kontakteinschränkungen durch die Corona-Lage. Ich verstehe, dass es nicht für jeden die Erfüllung ist, so lange bei seinen Kindern zu Hause zu bleiben. Wenn man allerdings Bedürfnisorientierung als wichtigen Bestandteil seiner Elternschaft sieht, sollte man sich darüber im Klaren sein, was die Betreuung in Kindertageseinrichtungen leisten kann- und was nicht.


Ich habe oft den Eindruck, dass es bei kleineren Kindern eher anerkannt ist, dass man auf ihre Bedürfnisse eingeht. Bei größeren scheint oft eine Art "Du bist jetzt groß genug, du musst das abkönnen!"-Mentalität zu herrschen. In einem gewissen Maß: ja, größere Kinder sind besser in der Lage, die Bedürfniserfüllung aufzuschieben als ein Säugling. Dennoch ändert sich am Grundprinzip "Bedürfnisse wollen erfüllt werden, damit es uns gut geht" nichts. Das dauerhafte Wegdrücken von Bedürfnissen ist weiterhin nicht gesund. Eltern und Erzieher*innen sollten die Bedürfnisse von größeren Kindern ernst nehmen.


 

Wie sieht der Alltag in Kitas aus und was kann eine bedürfnisorientierte Gestaltung erschweren?



1. Personalmangel/ Engpasssituationen

Wer mal einen Tag lang in der Kita war weiß: es ist laut, es ist wuselig, es sind viele Kinder und in der Regel wenig Erzieher*innen. Personell sind die meisten Kitas eher schlecht aufgestellt. Oft sind Stellen nicht besetzt. Und wenn dann noch jemand in Urlaub, auf Fortbildung oder krank ist, spannt das die Lage zusätzlich an.




Deshalb kommt es immer wieder zu Engpasssituationen:

- Kinder müssen ins Bett gelegt werden, während man gerade alleine die Gruppe betreut

- Pflege und gleichzeitig Beaufsichtigung der anderen Kinder

- Gefühlte 20 der 20 Kinder wollen gerade gleichzeitig Hilfe

- und so weiter


Mit wenig Personal ist es nicht verwunderlich, dass es oftmals schwer ist, die Bedürfnisse der Kinder zeitnah zu erfüllen. Oder in jeder Stresssituation noch freundlich und dem Kind zugewandt zu reagieren. Selbst mit den besten Absichten kommt da jeder mal an seine Grenzen.


2. Platzmangel/ Gestaltung der Räume

Wie viel Platz pro Kind die Kitas zur Verfügung haben ist gesetzlich geregelt. Kinder wollen sich bewegen und sind lebhaft. Wenn sie nur einen begrenzten Raum zur Verfügung haben, kann das schnell sehr laut und unübersichtlich werden. Die Kitagebäude sind nicht unbedingt an den Bedürfnissen der Kinder orientiert. Sie existieren meist schon und die Mitarbeiter*innen der Einrichtung müssen dann sehen, wie sie das Beste daraus machen. Schallschutz und eine geschickte Raumaufteilung sind wichtig für die "Entstressung" der Situation.


3. Wissensstand der Erzieher*innen

Bedürfnisorientierung als Konzept ist nicht wahnsinnig neu. Aber die weite Verbreitung ist definitiv erst noch im Ausbau. Leider auch bei pädagogischen Fachkräften. Einerseits gibt es ältere Kolleg*innen, die bisher kaum mit diesem Konzept in Kontakt kamen und es für Spinnereien der jüngeren Kolleg*innen halten. Dann sind da vielleicht die jungen Kolleg*innen, die zwar super motiviert mit ihrem aktuellen Fachwissen in die Kitas gehen- aber dort eine andere Praxis vorfinden und sich verunsichern lassen. (Beide Extreme sind natürlich grobe Verallgemeinerungen.) Und dann gibt es natürlich wie unter Eltern auch Fachkräfte, die prinzipiell eine andere Meinung dazu haben, wie Kinder erzogen werden sollten.


4. Selbstbestimmung der Kinder

Wer mit Kindern zu tun hat merkt schnell, dass es schwer sein kann, die Bedürfnisse mehrerer Kinder zum gleichen Zeitpunkt unter einen Hut zu bekommen. Das ist für Erzieher*innen nicht anders. Deshalb neigt man dazu, verallgemeinernde Regeln aufzustellen, um eine scheinbare Gleichberechtigung zu ermöglichen. Die Kinder sind aber nicht nur unterschiedlich alt, sondern haben unterschiedliche Fähigkeiten. Was ich Kind 1 an Selbstbestimmung zutrauen kann, kann für Kind 2 noch eine Überforderung bedeuten. Ein Beispiel hierfür ist das wettergerechte Anziehen. Manche Kinder haben bereits ein Gefühl dafür, was sie bei welchem Wetter und welcher Temperatur anziehen müssen, um sich wohl zu fühlen und nicht krank zu werden. Etwa weil sie schon die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen dieses Können zugetraut wird. Andere Kinder im gleichen Alter sind vielleicht noch am experimentieren, was sie brauchen. Oder wünschen sich Vorschläge, um danach selbst entscheiden zu können.

Damit ich als Fachkraft die angemessene Unterstützung bieten kann, brauche ich genug Zeit, mich mit den einzelnen Fähigkeiten der Kinder auseinander zu setzen.

Womit wir wieder beim ersten Punkt angelangt sind. Denn wie viel Zeit für das einzelne Kind bleibt hängt nunmal mit der Anzahl der Bezugspersonen zusammen.


Nächste Woche werde ich das Monatsthema mit einem zweiten Teil zur Bedürfnisorientierung in Kitas abschließen.

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